Liebevoll Grenzen setzen – Aber wie?

Die Fragen: „Wie kann ich lernen, mich besser abzugrenzen?“ und „Wie kann ich mich besser schützen?“ gehören zu den häufigsten Fragen, die ich im schulischen Resilienztraining oder in der Praxis gestellt bekomme. Oft wird mir berichtet, dass Betroffene einfach nicht „Nein“ sagen können.

Jede Überstunde und Samstagsarbeit wird brav angenommen und erledigt. Vor allem Frauen, die ja bekanntlich Multi-Tasking-Fähig sind, opfern sich für Ihre Kinder, den eigenen Mann, den Beruf und oft auch noch für Vereine auf. Motive hierfür können sein, dass wir nicht egoistisch sein wollen und andere Menschen nicht unwillkürlich ausgrenzen wollen. Aber auch negative Erfahrungen mit dem Setzen von Grenzen oder Erfahrungen in der Kindheit können uns als erlerntes Muster zu einem ständigen Ja-Sager machen.

Der bekannte Therapeut und Autor Wayne Muller beschreibt eine Episode aus seinem Leben, als er sich nach einigen Jahren endlich dazu durchringen konnte, einen kleinen Zaun rund um sein Lieblings-Beet mit Pflanzenraritäten anzulegen, damit die Hasen diese Pflanzen nicht noch vor der Blüte abfressen. Bis dahin hatte er gedacht, es sei wohl das Lebensrecht der Hasen, seine Blumen zu fressen. Erst als ihm bewusst wurde, dass die Hasen auch anderswo mit gewöhnlichem Gras und Kräutern satt werden können, entschloss er sich zu einem Zaun.

Er schreibt später: „Um das heranzuziehen, was wir brauchen, benötigen wir Schutzzonen. Zeit und Aufmerksamkeit, die den für uns wichtigen Dingen gewidmet sind. Gesichert durch klare, für alle gut erkennbare Grenzen, die uns vor den endlosen Anforderungen, Entscheidungen und Verantwortlichkeiten, die ansonsten unsere Tage zerfressen, schützen. Damit wir erkennen können, was für uns wirklich wichtig ist, was für uns heilig ist. Indem wir Grenzen setzen rund um das, was für uns wertvoll und notwendig ist, erschaffen wir einen Platz für Freiheit und Fülle. Ohne selbst gezogene Grenzen – uns selbst und anderen gegenüber – werden wir vielleicht nie imstande sein, das zu pflanzen, zu hegen und zu ernten, wonach wir uns sehnen.“ Die Metapher mit dem Zaun verwende ich sehr gern im Gespräch mit Schülern und Klienten, da diese wenn Sie sich abgrenzen wollen oft eine Mauer aufbauen. Eine Mauer jedoch ist undurchlässig, unflexibel und starr. Ein Zaun hingegen ermöglicht uns die Kommunikation über diesen hinweg. Gleichzeitig hat jeder Zaun ein Törchen, mit dem ich Menschen/Situationen hereinlassen kann oder eben auch nicht. Natürlich gehört viel mehr als nur ein Gartenzaun dazu, um zu lernen Grenzen zu setzen. Um für sich zu ergründen, warum man keine Grenzen setzt, sollte man sich zum Beispiel mit den eigenen Ängsten auseinander setzen. Aber auch das „Wie sage ich es“ spielt eine wichtige Rolle.

Und zu guter Letzt noch ein Tipp. Stellen Sie sich auf Widerstand ein! Gerade in lange bestehenden Beziehungen, in denen Ihre Grenzen nicht ausreichend gesehen und respektiert wurden, müssen Sie sich auf Widerstand gefasst machen. Reaktionen wie „Was hast du denn auf einmal?“ oder auch „Von engagierten Mitarbeitern erwarte ich ganz einfach …“ sind eine normale Reaktion Ihres Gegenübers. Aber keine Sorge – mit etwas Geduld und Übung kann Jeder lernen, Grenzen zu setzen und Schutzzonen einzurichten. Und natürlich können Sie mir auch gern wieder eine E-Mail zu diesem Thema senden.

Herzlichst Ihr
Christoph Chamuel Weibert

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